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Zeichnung des Gutsbetriebes von Georg H. Page um 1900. Sehr schön zu sehen sind die Stallungen, die heute unter Denkmalschutz ­stehende Halle mit dem Paralleldach. Dahinter die Remise (ehemalige Pferdestallungen), die heute als Lager dient.

George Ham Page

Weltweites Ansehen erhielt Hünenberg Ende des 19. Jahrhunderts, als der  ­Amerikaner George Ham Page auf den rund 2000 Juchtarten einen Gutsbetrieb nach amerikanischem Vorbild einrichtete. Denn: Wie er Fabriken geplant und hochgezogen hatte, gestaltete er nun die Bauernbetriebe um.

Er ­kaufte 1880  den 72 Hektar umfassenden ­Langrütihof sowie die ­Höfe ­Eichhof und Rothus. Im zupackenden Stil liess er praktisch alle hochstämmigen Bäume am Hang oberhalb der heutigen Luzernerstrasse bis gegen Cham und südwärts bis zum „Rothus“ fällen und errichtete mit einer ausgeklügelten, für die Bewohner der damaligen Zeit unbekannten Art von niederstämmigen Obstplantagen. Dazu importierte er 40’000 Obstbäumchen aus Amerika – darunter die hoch heute bekannte Apfelsorte Jonathan, die damit erstmals nach Europa kam.

Für die Rinderzucht liess George Ham Page Ställe bauen, die mit ihren Sheddächern mehr an eine Fabrik, denn an einen Stall erinnern. Page importierte als Erster die Viehrasse Jersey.

Bautafel

In der Parkanlage ist noch heute noch ein letzter von ihm gepflanzten Mammutbäume mit dem botanischen Namen Sequoia Dendron giganteum zu sehen.

Wer war George Ham Page?

BautafelGeorge Ham Page wuchs als Kind aufstrebender Siedler in einfachen Blockhütten im Nordens des US-Bundesstaat Illinois auf. Er selber war von ungestümem Pioniergeist durchdrungen und ein Macher, wie ihn nur die amerikanische Prärie hervorbringen kann.

Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) entdeckte George das Produkt, das ihn später zum Weltruhm verhelfen soll: Die Kondensmilch. Erfunden hat die erdickt und aufgezuckerte und luftdicht in Konservendosen abgefüllte Milch der Amerikaner Gail Borden. Während des Bürgerkrieges ernährten sich vor allem die Soldaten davon, da die Milch leicht zu transportieren und nicht verderblich war.

Schliesslich war es aber Georges Bruder Charles, der den Amerikaner in die Schweiz trieb. Charles hatte während des B ürgerkrieges sich als Reporter verdient gemacht und als Dank schickte ihn der amerikanische Präsident Andrew Johnson als Handelskonsul in die Schweiz. Ihm stachen sofort die vielen Kühe, die saftigen viele Wiesen und fleissigen Arbeitskräfte in Auge.

Doch weit und breit gab es keine Kondensmilchfabrik. So beschloss er, zusammen mit seinem Bruder George als Geschäftsführer die erste Kondensmilchfabrik  Europas zu gründen. Als Standort  wurde Cham auserkoren, denn Cham hatte einen Bahnanschluss bekommen und war landwirtschaftlich und noch nicht industriell geprägt.

Charles starb 1873, sodass George alleiniger Patron in der Schweiz war. Wegen der Machtkonzentration und seinem autoritären Führungsstil erhielt er den Übernamen «General». Als Helfer holte er seine Verwandten, Stiefbrüder, Schwager, die Schwager seiner Brüder und später auch Neffen und Cou-Cousins in die Schweiz.

1875 heiratete George die Zugerin Adelheid Schwerzmann. George erstes Kind Fred war sehr kränklich. Das regte den Vater dazu an, Babynahrung herzustellen. Kein halbes Jahr nach Geburt von Fred kaufte er die Kindermehlfabrik in Blumisberg FR.

Die Chamer wollten den erfolgreichen Milchproduzenten zum Ehrenbürger machen, doch George lehnte ab, denn er hätte dann die amerikanische Staatsbürgerschaft verloren. Zudem war er trotz der langen Zeit in Cham/Hünenberg Amerikaner geblieben. Er sprach auch nie Schweizerdeutsch.

Im April 1899 starb George Page an einer schweren Lungenentzündung in Cham. Da er jedoch in seiner alten Heimat beerdigt werden sollte, schickte die Witwe Adelheid den Leichnam als „Marmorstatue“  übers Meer. Im Garten des Verwaltungsgebäudes in Cham erstellte der bekannte Bildhauer Richard Kissling ein Denkmal des „Generals“, das heute noch dort steht.

Die «Anglo-Swiss Condensed Milk Company»

Zusammen mit seinem Bruder Charles gründete George am 9. August 1866 ging in Zürich die Aktiengesellschaft «Anglo-Swiss Condensed Milk Company». Das Geld für die Gründung kam vor allem von amerikanischen Geschäftsfreunden, der Schweizer Bankier James Kerez-Paravicini wurde als Einheimischer pro Forma angeheurt. Bereits sechs Jahre später hatte die Firma sieben Fabriken in der Schweiz, Deutschland und England. Die Kondensmilch aus Cham ging damit um die Welt.

Die Produktion von Kondensmilch unter dem Namen “ Milchmädchen“ verlief sehr erfolgreich. Als George jedoch nach der Geburt seines Kindes mit der Produktion von Babynahrung begann, stellte er sich in direkte Konkurrenz zur Nestlé in Vevey, die schon immer Kindermehl herstellte. So begann die Nestlé nun Kondensmilch herzustellen – ein unerbittlicher Konkurrenzkampf begann.

Um den Kampf zu beenden, wollte George die Nestlé für rund 1.5 Millionen Franken aufkaufen. Doch Nestlé schlug eine Fusion vor, was George nicht wollte, war doch seine Anglo-Swiss Marktführerin in Europa. 1894 verkaufte die Anglo-Swiss erstmals mehr als eine Million Kisten mit je 48 Kondensmilchbüchsen.

Erst nach dem Tode George  wurden schliesslich im September 1899 ein Fusionsvertrag mit Nestlé ausgearbeitet. Am 15. April 1905 stimmten schliesslich die Aktionäre der Anglo-Swiss in Cham und die Aktionäre der Nestlé in Vevey der Fusion zu: Die neue Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company war geboren. Beim anschliessenden Festessen bekamen die Aktionäre Zuger Rötel.

Mehr über George Ham Page erfahren Sie im Buch „George Page. Der Milchpionier“ von Michael van Orsouw, Judith Stadlin und Monika Imboden, NZZ Verlag, ISBN 3-03823-146-0

Denkmalpreis für den ehemaligen Stall

Pages Spuren sind bis heute sichtbar: So wurde der Stall mit dem Paralleldach samt Remise als «Baudenkmal von regionaler Bedeutung» 2010 unter Denkmalschutz gestellt und 2014 gar mit dem Denkmalpreis der Schweizerischen Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger (KSD) ausgezeichnet. Der Preis wurde dem Besitzer, Peter Hofer, überreicht für sein „Bestreben, das kulturell wertvolle Denkmal zu erhalten“.

Denkmalpfleger Roman Brunner: „Der Stall ist mit sieben, taufseitig aneinander gereihten Satteldächern bedeckt. Die Giebelseiten sind mit je zwei, mit Sandstein gerahmten, stichbogenartigen Türen bzw. Fenstern mit Schlagläden und einem Okulus im Giebelfeld besetzt“. Die Mauern sind verputzter Massivbau.

Während einer ­umfassenden Sanierung 2011 wurde der Grossraumstall von 1881 weitgehend in den Original­zustand ­zurückversetzt. Architekt Paul Bucher legte quasi unsichtbare Stabilisierungen aus grossflächigen Dreischichtplatten auf die bestehende Dachkonstruktion. Diese neue Schicht liegt auf den Aussenmauern auf und bildet nun das Tragwerk des Daches.

Die Sanierung des Daches, der Fensterläden, der Mauern und des Aussenputzes beschränkte sich auf punktuelle Reparaturen. Die Fenster wurden neu eingebaut und mit Isolierverglasung ausgestattet. Die bestehende Dachkonstruktion ist erhalten geblieben und der ursprünglich stützenfreie Zustand wiederhergestellt worden. Die Innenwände wurden roh belassen.

2012 zog die Druckerei Heller aus Cham in die Halle ein.

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Die Shedhalle (Rinderstall) vor (Bilder links) und nach der Sanierung von 2011. Bilder Amt für Denkmalpflege.
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Die untere Remise, die als Pferdestall diente, wurde ebenfalls renoviert und wird heute als ­Lagerraum genutzt.

Auch in der Parkanlage ist das Erbe Pages­ sichtbar: So steht 2014 noch einer der 1880 von Page gepflanzten ­Mammutbäume ­(Sequoia Dendron giganteum). Die mächtigen Kastanien-­und Lindenbäume sowie die Nussbaum­allee von 1930 sind geschützt.

Der Gutsbetrieb der Familie Hofer

135Im Jahre 1902 kaufte Rudolf Hofer (Bild links), Bauernsohn aus Zollikofen BE, von den Erben von George Ham Page den Gutsbetrieb Langrüti samt Stallungen.

Heute betreibt die Familie Hofer den Gutsbetrieb Langrüti bereits in der 4. Generation. Sie liess die ehemaligen Stallungen mit dem markanten Dach 2011 komplett sanieren. Auf den 25 Hektaren Wies- und Ackerland wird Futter für die eigene Rindermast angebaut.

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Vater Hofer auf dem Traktor beim Umpflügen des Feldes.
Autoren: Patricia Diermeier Reichardt, Peter Hofer, Guido Wetli
Fotos: Archiv, Amt für Denkmalpflege, Peter Hofer