Blick auf Langrüti im Jahre 1930: Wo später die Überbauungen Dersbach und Chämleten realisiert wurden, herrschte Ende des 19. Jahrhunderts Obstbau und Landwirtschaft vor. Nur die Luzernerstrasse und die Eisenbahnlinie durchschneiden die Landschaft.
Bedeutung von Langrüti
Die mittelalterliche Bezeichnung „Rüti“ bedeutet gerodetes Land oder waldfreie Stelle. Bereits 1392 wird von Gütern in der „Langen Rüty“ gesprochen und beim Burg- und Hofrechtsvertrag im Jahre 1416 wird Ruodi Steiner, der „Langenrüter“, erwähnt.
Weltweit bekannt wurde die Langrüti 1866, als der Amerikaner George Ham Page in Cham die erste Kondensmilchfabrik Europas eröffnete und hier einen Landwirtschaftsbetrieb aufzog.
Mehr dazu beim nächsten Wegpunkt des Themenweges, Nr. 13 – Langrüti West
Armenhaus Langrüti
Für die Hünenberger war die Langrüti ab 1828 ein wichtiger Ort: Hier kaufte die Armenkommission der Gemeinde Hünenberg von den Brüdern Alois und Kaspar Baumgartner die Liegenschaft Langrüti. Ein Teil davon wurde 1883 an George Ham Page verkauft.
In der Chronik ist nachzulesen, dass die Armenhausscheune 1890 abbrannte. Sie wurde danach wieder aufgebaut. Im gleichen Jahr taufte die Bürgergemeinde die Liegenschaft in «Bürgerhof» um.
1902 wurde ein neues Wohnhaus erstellt – das heute noch bestehende Backsteinhaus Langrüti 17. Unter dem Dach erinnert noch heute die Jahreszahl und das Hünenberger Wappen an den Neubau.
Der Hof wurde verpachtet. Der Erlös aus der Pacht kam zahlreichen armen Hünenberger Bürgerinnen und Bürgern zugute.
Ende der 1960er-Jahre wurden in einer Landumlegungsaktion grössere Parzellen geformt, arrondiert und Grenzen bereinigt. Die Bürgergemeinde tauschte dabei die Langrüti gegen Land im Grüt, südlich der Burg Hünenberg. Dort steht seither der Bürgerhof Hünenberg.
Die Firma Lustenberger & Dürst AG
Nachdem der Hauptsitz der Kondensmilchfabrik in die USA verlegt wurde, liess bei der Familie Page das Interesse am Langrütihof nach. Sie verkaufte 1894 den ganzen Komplex an Maurice Lustenberger, der 1862 in Sursee ein Käse-Exportunternehmen gegründet hatte.
Lustenberger eröffnete in der Langrüti ein Käsehandelsgeschäft. In der Ecke Luzerner-/Langrütistrasse entstand das steinerne Bürogebäude und längs der Langrütistrasse wurden die Käsekeller gebaut. Das Wohnhaus, die sogenannte „Villa Merkur“, kam neben der Parkanlage zu stehen. 1899 verstarb George Ham Page 63-jährig in Cham.
1902 verkauften die Lustenbergers den eigentlichen Landwirtschaftsbetrieb an Rudolf Hofer, aus dem Emmental.
Das Käsegeschäft florierte:1913 betrug der Umsatz bereits 1 Million Franken. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges wird die Genossenschaft schweizerischer Käseexportfirmen (G.S.K.), der späteren Käseunion zur Sicherstellung der Landesversorgung gegründet. Maurice Lustenberger ist deren 1. Präsident.
Im Jahre 1920 schloss sich die Firma Lustenberger mit dem Käsehandelsgeschäft Dürst aus Zürich zur neuen Firma Lustenberger & Dürst SA zusammen. Bereits 1923 lancierte die neue Firma mit der Marke «Le Superbe» eine bis heute erhaltene, weltweit eingesetzte Dachmarke für seine affinierten (ausgereiften) Käse.
Diese Firma ist heute noch in der Langrüti ansässig und die älteste Firma in der Gemeinde Hünenberg. Sie konnte im Jahr 2012 ihr 150-jähriges Bestehen feiern und hat rund 80 Mitarbeitende.
In den Käsekellern in der Langrüti und seit 2010 im freiburgischen Heitenried reifen permanent weit über 90‘000 Käselaibe. Meist sind es die grossvolumigen Hartkäse der Sorten Emmentaler, Le Gruyère und Sbrinz. Das Schneiden und Verpacken der Laibe übernehmen moderne, vollautomatisierte Verpackungsanlagen mit einer Kapazität von rund 7‘000 Tonnen Käse pro Jahr. Derzeit stellen rund 45 Käsereien aus der ganzen Schweiz exklusiv für Lustenberger & Dürst ihre regionalen Rohmilchkäse her. Die frische, unbehandelte Milch wird unmittelbar in der lokalen Dorfkäserei naturnah und ohne Zusatzstoffe handwerklich nach altem Rezept verarbeitet.
Etwa 3‘000 Tonnen Käse lagern in der Langrüti in den natürlichen Reiferäumen auf Holzbrettern. Nach der Reifezeit, die zum Teil bis zu drei Jahre dauert, werden sie im Aufschnitt- und Abpackzentrum weiter bearbeitet und rund 80 % davon für den Export bereit gestellt. Wer sich selber von der ausgezeichneten Qualität der Le-Superbe-Käse überzeugen will, kann sich im Factory-Shop in der Langrüti mit diesem exklusiven Käse eindecken.
Weitere Informationen auf www.le-superbe.com
Der erste Strom in Hünenberg
Mit dem Aufkommen der Dampfkraft begann zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Elektrifizierung der ländlichen Regionen.
Der erste Strom in Hünenberg floss hier in der Langrüti. Das Kraftwerk Rathausen, das seit 1911 die Bewilligung besass, in der ganzen Gemeinde Strom zu verteilen, stellte in der Langrüti den ersten Transformator auf, um den Käsekeller mit Strom zu versorgen. Sie teilten auch der Öffentlichkeit mit, dass sie gewillt sei, auch Einzelabonnenten durch die „Abgabe von Licht und Kraft“ zu versorgen.
Die Elektrischen Genossenschaft Oberhünenberg
Doch die Hünenberger wollten ihren Strom von einem zentralen Werk beziehen und auf eigene Rechnung an die Endverbraucher weiter verkaufen.
So wurde am 18. Juli 1912 im Restaurant Degen die Elektrischen Genossenschaft Oberhünenberg gegründet. Die ersten Statuten lagen bereits ausgefertigt vor und wurden bis auf ein paar Kleinigkeiten durch die Anwesenden gutgeheissen. Das Leitungsnetz zur Versorgung der Genossenschafter war vorausgehend geplant worden. Den Namen Oberhünenberg trug die Genossenschaft, weil sich die Unterhünenberger nicht der Genossenschaft anschliessen wollten.
Die Genossenschaft versorgte somit die die Langrüti inklusive Alznacht, Meistersschwil, Drälikon, Rainmatt, Ochsenlohn, Hubel, Kemberg bis und mit der Liegenschaft Freimann-Wyss mit Strom.
Der erste Vorstand:
Josef Luthiger, Schmiedemeister | Präsident |
Felix Dotta, Kaufman, Langrüti | Vizepräsident und Kassier |
Georg Baumgartner, Korporationspräsident, Bösch | Beisitzer |
Kaspar Stocker, Schulrat, Riedhof | Beisitzer |
Melchior Villiger, Lehrer | Aktuar |
Weitere Informationen zum Thema Strom auf dem Themenweg, Nr. 26 – Riedhalde und zur Geschichte des Stroms auf der Webseite der EGH
Autoren: Patricia Diermeier Reichardt, EGH, Lusteberger & Dürst SA, Guido Wetli Fotos: Archiv, Patricia Diermeier Reichardt, Lustenberger & Dürst SA |